Berlin (dpa) – Auch nach dem jüngsten Koalitionsausschuss mit seinen Kompromissen beim Klimaschutz knirscht es zwischen den Ampel-Partnern SPD, Grüne und FDP.
Die Grünen zeigen sich unzufrieden mit den Ergebnissen. Der Co-Vorsitzenden Ricarda Lang ist der Klimakurs zu wenig ambitioniert. «Wir sind eine Regierung, die beim Klimaschutz vorangeht – aber nicht immer so schnell, wie ich mir das wünschen würde. Da brauchen wir insgesamt noch mehr Tempo», sagte Lang den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Im Koalitionsausschuss hatten sich SPD, Grüne und FDP auf ein 16-seitiges Papier verständigt, das unter anderem den beschleunigten Ausbau der Autobahnen an 144 Stellen, Milliardeninvestitionen in das Schienennetz und eine Lockerung der Klimaschutzregeln vorsieht.
Beim Autobahnausbau, auf den die FDP gedrängt hat und den die Grünen am liebsten verhindert hätten, setzt Lang nun auf die Länder. Es sei «sehr wahrscheinlich», dass nicht alle dieser 144 Projekte am Ende beschleunigt gebaut werden, sagte Lang. Die Planung werde «nur dann beschleunigt, wenn die zuständigen Länder sagen: Wir wollen das.» Die Grünen sind an zwölf Landesregierungen beteiligt und hätten dort Veto-Möglichkeiten. Lang sprach sich zugleich erneut für ein Tempolimit auf Autobahnen zum Klimaschutz aus, eine Maßnahme, die die FDP ablehnt.
Auch die Grünen-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Britta Haßelmann, zeigte sich enttäuscht. «Trotz der sich verschärfenden Klimakrise gibt es ganz offenbar nur einen Koalitionspartner, der beim Klimaschutz mehr will», sagte sie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
Djir-Sarai: «Bürger auf dem Weg mitnehmen»
FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai widersprach Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) wegen dessen Kritik, die vereinbarten Maßnahmen im von der FDP verantworteten Verkehrsbereich reichten nicht aus. «Die Vereinbarungen des Koalitionsausschusses zur Klimaschutzpolitik sind ein Paradigmenwechsel für Deutschland: Das Klimaschutzgesetz wird aus der Planwirtschaft in die Marktwirtschaft überführt», sagte dazu Djir-Sarai der Deutschen Presse-Agentur. Statt unrealistischer Jahresziele einzelner Sektoren zähle künftig das sektorübergreifende Ziel der Klimaneutralität ab dem Jahr 2045.
«Dieses Ziel kann – auch im Verkehrssektor – nur erreicht werden, wenn die Bürgerinnen und Bürger auf dem Weg dorthin mitgenommen werden. Klimaschutz kann nur mit den Menschen gelingen, nicht gegen sie», sagte Djir-Sarai. «Das sollte auch Herr Habeck endlich verstehen. Alles andere führt zu einer weiteren Spaltung der Gesellschaft.» Und: «Der Klimaminister Habeck sollte aufhören, Sündenböcke zu suchen. Bei aller persönlichen Wertschätzung, so sollte sich eine Führungspersönlichkeit nicht verhalten.»
Umweltverbände unterstützen Habeck
Unterstützung erhielt Habeck von Umweltverbänden. «Es ist offensichtlich, dass die Ergebnisse des Koalitionsausschuss es noch mal schwieriger machen, die Klimaschutzziele im Verkehr zu erreichen», sagte Benjamin Stephan, Greenpeace-Mobilitätsexperte, der dpa in Berlin. «Das ist der traurige Erfolg der bocksturen Blockade der FDP, einer SPD, die sich im Zweifel dann doch gegen das Klima und für eine alte Technologie wie den Verbrenner und mehr Autobahnen stellt sowie einer Grünen Partei, die sich nicht gegen diese Übermacht wehren konnte oder wollte.»
Bei den Wählern der Grünen kommen die Beschlüsse der Koalition offenbar nicht gut an. Im ZDF-«Politbarometer», das am Freitag veröffentlicht wurde, sank der Wert für die Grünen um zwei Punkte auf 17 Prozent. Im Gegenzug legte die FDP in der von Dienstag bis Donnerstag erhobenen Umfrage um zwei Punkte auf 7 Prozent zu.
Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil warnte vor einer Spaltung der Gesellschaft durch Maßnahmen zum Klimaschutz. «Der Klimaschutz darf kein Elitenprojekt für Leute mit Geld sein», sagte er den Zeitungen der Mediengruppe Bayern (Samstag). Deshalb gehöre zu einem ambitionierten Klimaschutz eben auch soziale Ausgewogenheit. «Auch müssen die Menschen in den Metropolen aufpassen, über die im ländlichen Raum die Nase zu rümpfen, wenn sie aufs Auto setzen.» Da, wo er selbst herkomme, gebe es zum Auto keine Alternative. «Und das ist die Realität für sehr viele Menschen in Deutschland. Wir als SPD lassen nicht zu, dass Stadt gegen Land ausgespielt wird», betonte Klingbeil.