Berlin (dpa) – Der Weg für eine Legalisierung von Cannabis in Deutschland ist nach jahrzehntelangen Diskussionen frei. Der Bundesrat ließ ein vom Bundestag beschlossenes Gesetz passieren, das Besitz und Anbau der Droge für Volljährige zum 1. April mit zahlreichen Vorgaben zum Eigenkonsum erlaubt.
Trotz viel Kritik gab es in der Länderkammer keine Mehrheit dafür, den Vermittlungsausschuss mit dem Parlament anzurufen und das Gesetz damit auszubremsen. Um ein Scheitern abzuwenden, hatte die Bundesregierung zuletzt auch noch zugesichert, einige Regelungen nachträglich zu ändern.
Eine Zäsur in der Drogenpolitik
Gesundheitsminister Karl Lauterbach sprach von einer richtungsweisenden Entscheidung nach einer gescheiterten Cannabis-Politik der vergangenen zehn Jahre. Der SPD-Politiker warb vor der Abstimmung im Bundesrat noch um Zustimmung. «Wenn wir es nicht schaffen würden, wäre es ein großartiger Tag für die Dealer.» Es gebe nun die Chance, durch eine Entkriminalisierung, bessere Aufklärung und besseren Jugendschutz insbesondere die nächste Generation vor dem Konsum und vor dem Schwarzmarkt zu schützen.
Die Zäsur in der Drogenpolitik kann nun am Ostermontag in Kraft treten. Das Gesetz muss zuvor noch amtlich verkündet werden, wenn Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier es unterzeichnet hat. Legal sein soll für Erwachsene ab 18 Jahren der Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis zum Eigenkonsum. In der eigenen Wohnung sollen drei lebende Cannabispflanzen erlaubt sein und bis zu 50 Gramm Cannabis zum Eigenkonsum. Kiffen im öffentlichen Raum soll unter anderem in Schulen, Sportstätten und in Sichtweite verboten werden.
Nur Volljährige dürfen konsumieren
Möglich werden per Gesetz auch nicht-kommerzielle «Anbauvereinigungen» für Volljährige, in denen bis zu 500 Mitglieder mit Wohnsitz im Inland Cannabis gemeinschaftlich anbauen und untereinander zum Eigenkonsum abgeben – im Monat höchstens 50 Gramm je Mitglied. Spätestens 18 Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes soll eine erste Bewertung auch dazu vorgelegt werden, wie es sich auf den Kinder- und Jugendschutz auswirkt.
Im Bundesrat stimmten nach einer kontroversen Aussprache vier der 16 Länder für den Vermittlungsausschuss, nämlich Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg und das Saarland. Die übrigen Länder enthielten sich, die Stimme Sachsens wertete Bundesratspräsidentin Manuela Schwesig (SPD) als ungültig, weil das Votum uneinheitlich war: Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) sagte Ja zum Vermittlungsausschuss, sein Vize Martin Dulig (SPD) widersprach und Grünen-Umweltminister Wolfram Günther rief «Enthaltung».
Kretschmer hatte zuvor in seiner Rede argumentiert, bei dem Gesetz könne es nicht um Parteipolitik und Koalitionsarithmetik gehen. Diese Frage sei so zentral und so persönlich, «dass für mich klar war, ich werde einer Legalisierung von Drogen unter keinen Umständen zustimmen, auch wenn das Ärger in meiner sächsischen Koalition gibt.» Er habe Menschen mit schweren Schäden durch Drogen gesehen. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) warnte, das Gesetz öffne die Tür zu einer grundlegend neuen Drogenpolitik. «Die Schwelle zur Enttabuisierung weiterer psychoaktiver Stoffe wird sinken.»
Gespaltene Meinungen
Dass das Gesetz im Bundesrat durchkommt, war bis kurz vor der Sitzung ungewiss. Drei Ausschüsse der Länderkammer hatten wegen vieler Einwände die Anrufung des Vermittlungsausschusses empfohlen. Die Bundesregierung nahm einige Kritikpunkte auf, um ein Vermittlungsverfahren abzuwenden. In einer Erklärung, die im Bundesrat zu Protokoll gegeben wurde, sicherte sie mehr Unterstützung bei Aufklärung und Vorbeugung vor allem für Kinder und Jugendliche sowie flexiblere Umsetzungsregeln zu. Dafür sollen nun noch vor dem 1. Juli einige nachträgliche Änderungen am Gesetz umgesetzt werden.
Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe, mit dem Gesetz würden Realismus und Prävention verbunden, ohne Risiken zu verharmlosen. Er sei sicher, dass die neuen Regeln bald zu einer Entlastung der Justiz führen würden. Die Grünen-Fachpolitikerinnen Maria Klein-Schmeink und Kirsten Kappert-Gonther erklärten, das Gesetz sei ein Paradigmenwechsel, für den sich viele jahrzehntelang eingesetzt hätten.
Die Gewerkschaft der Polizei warnte, Polizei, Justizbehörden und Jugendämter stünden nun vor unnötigen Herausforderungen. «Ab dem 1. April werden unsere Kolleginnen und Kollegen in zahlreiche Konfliktsituationen mit Bürgerinnen und Bürgern geratet», sagte der Vize-Vorsitzende Alexander Poitz. Denn auf allen Seiten gebe es Unsicherheit. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung mahnte, man dürfe Cannabiskonsum nicht das «Mäntelchen der Ungefährlichkeit» umhängen. Der Deutsche Richterbund monierte, dass die Legalisierung nun gegen alle Bedenken «mit der Brechstange» ins Gesetzblatt gedrückt werde.
Quellen: Mit Material der dpa.