Karlsruhe/Düsseldorf (dpa) – Die Bundesanwaltschaft hat in Nordrhein-Westfalen eine mutmaßliche islamistische Terrorzelle aufgedeckt und sieben Verdächtige festnehmen lassen.
Den vor allem aus Tadschikistan stammenden Männern wird vorgeworfen, in Deutschland eine terroristische Vereinigung gegründet und Anschläge geplant zu haben, wie die oberste deutsche Anklagebehörde in Karlsruhe mitteilte. Außerdem sollen sie die Terror-Organisation Islamischer Staat (IS) unterstützt haben. Wie Landesinnenminister Herbert Reul (CDU) in Düsseldorf berichtete, sind die in NRW Festgenommenen zwischen 20 und 46 Jahre alt.
Ein weiterer Mann aus Tadschikistan und dessen kirgisische Frau wurden den Angaben zufolge von niederländischen Behörden festgesetzt. Das Paar steht nach Worten der niederländischen Polizei ebenfalls im Verdacht, terroristische Straftaten vorbereitet zu haben.
«Deutschland im unmittelbaren Zielspektrum»
Bundesinnenministerin Nancy Faeser sprach von einem «bedeutenden Schlag gegen den islamistischen Terrorismus». Man setze die harte Gangart gegen Islamisten fort, unterstrich die SPD-Politikerin in einer Mitteilung. Die Bedrohung bleibe akut. «Deutschland steht weiterhin im unmittelbaren Zielspektrum islamistischer Terrororganisationen und von islamistisch motivierten Einzeltätern.»
Bei den in Deutschland – laut Reul allesamt in NRW – festgenommenen Männern handelt es sich um fünf Beschuldigte aus Tadschikistan sowie zwei weitere aus Kirgistan und Turkmenistan. Nach Erkenntnissen des Generalbundesanwalts haben alle eine radikal-islamische Einstellung.
Unter Flüchtlingen auch «Schwarze Schafe dabei»
Kurz nach Beginn des Krieges in der Ukraine seien sie gemeinsam nach Deutschland eingereist und hätten sich zu einer terroristischen Vereinigung zusammengeschlossen. Ziel sei gewesen, «in Deutschland öffentlichkeitswirksame Anschläge im Sinne des IS zu verüben», so die Bundesanwaltschaft weiter.
«Daran sehen wir leider auch: Unter der enorm großen Zahl an Schutzsuchenden, die vor Krieg fliehen und bei uns Obhut suchen, sind Schwarze Schafe dabei», sagte Reul. Die Beschuldigten aus NRW seien allesamt als Gefährder oder als «relevante Personen» eingestuft.
In den frühen Morgenstunden seien Razzien in NRW, Niedersachsen und in den Niederlanden angelaufen. Allein in NRW seien 15 Objekte durchsucht worden: in Bielefeld, Bornheim, Düsseldorf, Ennepetal, Gelsenkirchen, Gladbeck, Kamen, Lippstadt, Warendorf und Witten.
Mitglieder eines IS-Ablegers
Reul berichtete, die Beschuldigten seien regelmäßig zwischen Deutschland und den Niederlanden hin- und hergereist. Sie seien Mitglieder des IS-Ablegers «Islamischer Staat Provinz Khorasan» (ISPK).
Nach Erkenntnissen des Generalbundesanwalts sind mögliche Ziele von Anschlägen in Deutschland bereits ins Visier genommen und mögliche Tatorte ausgekundschaftet worden. Zudem hätten die Beschuldigten versucht, sich Waffen zu beschaffen. Einen konkreten Anschlagsplan habe es aber noch nicht gegeben. Sechs der in Deutschland gefassten Verdächtigen hätten seit April 2022 Geld für den IS gesammelt und ins Ausland transferiert.
Reul sagte, er kenne keine Liste mit Anschlagszielen und könne auch nicht sagen, ob bei den Durchsuchungen Waffen gefunden worden seien. Klar sei: «Die Anhänger des Islamischen Staats glauben offenbar, bei uns ganz unbehelligt ihrem terroristischen Tagwerk nachgehen zu können: Auskundschaften, Ziele suchen, Waffen und Geld beschaffen – alles im Verborgenen.»
Diese Rechnung sei nicht aufgegangen, stellte NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst fest. «Unsere Sicherheitsbehörden sind wachsam und haben heute erneut bewiesen, dass wir im Kampf gegen den internationalen Terrorismus gut aufgestellt sind», sagte er der Deutschen Presse-Agentur in Düsseldorf. Er dankte allen Einsatzkräften für die erfolgreiche grenzüberschreitende Zusammenarbeit. «Bei uns gilt: null Toleranz für Terrorismus, null Toleranz für Gewalt, null Toleranz für demokratiefeindliche Gesinnungen», bekräftigte der CDU-Politiker.
2022 mehr als 4000 Islamisten in NRW gezählt
Wie Reul berichtete, hat der Verfassungsschutz im vergangenen Jahr allein in NRW 4070 Islamisten gezählt – im Vergleich zum Vorjahr ein Rückgang um fast 12 Prozent. Die Zahl der gewaltbereiten Islamisten sei von 780 auf 600 Personen gesunken. «Wie die heutigen Durchsuchungen und Festnahmen zeigen, gibt dieser zahlenmäßige Rückgang aber keinen Anlass zur Entwarnung», unterstrich er.
An dem Einsatz waren seinen Angaben zufolge über 200 Polizeikräfte des Bundes und der Länder beteiligt – davon etwa 90 aus NRW. Auch die Spezialeinheit GSG9, die Fliegerstaffel des Bundes, der Staatsschutz und mehrere weitere Einheiten seien beteiligt gewesen. Darüber hinaus sei die Agentur der Europäischen Union für justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen, EUROJUST, eingebunden.
Vier der Festgenommenen kamen noch am Donnerstag in Untersuchungshaft, wie eine Sprecherin der Bundesanwaltschaft am Abend sagte. Drei weitere Beschuldigte sollen an diesem Freitag dem Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs (BGH) in Karlsruhe vorgeführt werden. Das Paar aus den Niederlanden sollte ebenfalls am Freitag vor den Untersuchungsrichter in Rotterdam kommen.