Washington/Gaza/Kairo (dpa) – Der vom Iran angekündigte Vergeltungsschlag nach dem Luftangriff auf ein Gebäude seiner Botschaft in Syrien hat Israel und die USA in höchste Alarmbereitschaft versetzt. Beide Regierungen bereiteten sich mit Hochdruck auf einen iranischen Angriff vor, «der auf unterschiedliche Weise verlaufen könnte», berichtete der Sender CNN unter Berufung auf einen ranghohen US-Regierungsvertreter.
Sowohl Ziele der USA als auch der Israelis könnten ins Visier genommen werden. Laut dem Sender CBS gehen US-Regierungsvertreter davon aus, dass eine Attacke auf eine diplomatische Einrichtung Israels bis zum Ende des muslimischen Fastenmonats Ramadan in der kommenden Woche denkbar sei. Der Kommandeur der iranischen Revolutionsgarden, Hussein Salami, erneuerte die Drohungen gegen den Erzfeind Israel. «Keine Aktion des Feindes» werde unbeantwortet bleiben, sagte Salami.
Bericht: Auch Irans Streitkräfte in höchster Alarmbereitschaft
Am 1. April waren bei einem Luftangriff auf das iranische Botschaftsgelände in der syrischen Hauptstadt Damaskus zwei Brigadegeneräle und fünf weitere Mitglieder der mächtigen Revolutionsgarden getötet worden. Das iranische Außenministerium und die US-Regierung gehen davon aus, dass Israel den Angriff ausgeführt hat. Von israelischer Seite wurde der Vorfall nicht kommentiert.
Der getötete iranische Brigadegeneral Mohammad Resa Sahedi wurde inzwischen in seinem Geburtsort Isfahan im Zentraliran beigesetzt. Nach Angaben der Nachrichtenagentur Isna nahmen Tausende Menschen an der staatlich-organisierten Beisetzung des hochrangigen Mitglieds der iranischen Revolutionsgarden (IRGC) teil.
Irans Religionsführer Ajatollah Ali Chamenei drohte mit Vergeltung. «Das boshafte Regime wird durch unsere tapferen Männer bestraft werden», sagte das Staatsoberhaupt einen Tag nach dem Luftangriff. Die «New York Times» zitierte zwei namentlich nicht genannte iranische Beamte, wonach das Land seine Streitkräfte in höchste Alarmbereitschaft versetzt hat.
USA: Vergeltungsschlag unvermeidlich
Wie und wann Irans Staatsmacht reagiert, ist offen. Aussagen Chameneis wurden aber so gedeutet, dass eine militärische Aktion der eigenen Streitkräfte bevorstehen könnte. Ranghohe US-Regierungsvertreter hielten einen Vergeltungsschlag gar für unvermeidlich, berichtete CNN. Die USA bereiteten sich auf einen «erheblichen» Angriff in der kommenden Woche vor.
CBS berichtete unter Berufung auf US-Regierungsvertreter über Geheimdienstinformationen der Vereinigten Staaten, wonach der Iran einen Angriff mit Drohnen und Marschflugkörpern plane. Die Frage sei, ob diese von iranischem Gebiet oder eher aus dem Irak oder aus Syrien losgeschickt würden, hieß es. Die Angaben aus den Berichten ließen sich nicht unabhängig überprüfen.
Israel droht mit Konsequenzen
Auch die israelische Seite halte einen Angriff für unvermeidlich, berichtete CNN. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat für den Fall einer Attacke des Irans auf sein Land mit Konsequenzen gedroht. «Wir werden wissen, wie wir uns zu verteidigen haben, und wir werden nach dem einfachen Prinzip handeln: Wer immer uns schadet oder plant, uns zu schaden, dem werden wir auch schaden», sagte Netanjahu.
Angesichts der Sicherheitslage hat Israel Urlaube in allen Kampfeinheiten zeitweilig gestoppt. Israels Armee kündigte zudem die Mobilisierung von Reservisten der Raketenabwehr an. Auch störte die Armee das Positionsbestimmungssystem GPS in Israel, um «Bedrohungen zu neutralisieren». Israelische Medien werteten dies als Verweis auf die Drohungen aus dem Iran.
Hamas: Haltung bei Waffenruhe unverändert
Vertreter der islamistischen Hamas wollen morgen nach Kairo reisen, um über eine Waffenruhe im Gazastreifen und eine Freilassung weiterer Geiseln zu verhandeln. Die Delegation werde vom ranghohen Hamas-Funktionär Chalil Al-Haja angeführt, teilte die Hamas mit. Der Nachrichtenkanal Al-Dschasira berichtete unter Berufung auf Hamas-Quellen, dass Vermittler in dem Konflikt zuletzt engen Kontakt mit Hamas-Chef Ismail Hanija hielten, um auf eine Fortsetzung der Verhandlungen zu dringen.
Die Gespräche über eine Feuerpause und einen möglichen Austausch von Geiseln in Gewalt der Hamas gegen palästinensische Gefangene aus israelischen Gefängnissen stocken seit Wochen. Auch Bemühungen, vor Beginn des laufenden muslimischen Fastenmonats Ramadan einen Durchbruch zu erzielen, blieben erfolglos.
Die Hamas werde in den Verhandlungen nicht von ihren Forderungen abweichen, hieß es in der Mitteilung. Dazu zählen unter anderem ein dauerhafter Waffenstillstand, der Abzug von Israels Armee aus den Gazastreifen sowie die Rückkehr von vertriebenen Palästinensern in ihre Häuser. Israel, das die Zerschlagung der Hamas zum Ziel erklärt hat, lehnte diese Forderungen bislang ab. Hanija habe klargestellt, dass die Position der Hamas in diesen Punkten unverändert sei, berichtete Al-Dschasira.
Dem Nachrichtenportal «Axios» zufolge sollen sich in Kairo heute unter anderem CIA-Direktor William Burns, der Chef von Israels Auslandsgeheimdiensts Mossad, David Barnea, Katars Ministerpräsidenten Mohammed bin Abdulrahman Al Thani und Ägyptens Geheimdienstchef Abbas Kamel zu Gesprächen treffen. Israel und die Hamas verhandeln seit Monaten – aber nicht direkt miteinander. Katar und Ägypten treten deshalb als Vermittler auf.
Wieder Festnahmen nach Gebet auf Tempelberg in Jerusalem
Israels Polizei hat indes eigenen Angaben zufolge 16 Menschen nach einem Gebet auf dem Tempelberg (Al-Haram al-Scharif) in Jerusalem festgenommen. Sie hätten auf der Anlage Parolen skandiert, die zum Terror aufriefen oder Terror unterstützen, teilte die Polizei mit. Sie sprach von zwei verschiedenen Vorfällen in der Nacht. Mehrere Verdächtige seien an den Toren zum Tempelberg festgenommen worden, andere in der Jerusalemer Altstadt.
Bei den Betroffenen handelt es sich den Angaben nach um Einwohner aus dem arabisch geprägten Ostteil Jerusalems, Menschen aus Nordisrael und einem Palästinenser aus dem Westjordanland. Berichten zufolge setzte Israels Polizei mithilfe einer Drohne auch Tränengas auf der Anlage ein.
Nasrallah: Angriff auf Botschaftsgelände ist «Wendepunkt»
Seit Beginn des Krieges im Gazastreifen kommt es auch zwischen Israels Armee und der proiranischen Hisbollah-Miliz im benachbarten Libanon täglich zu Konfrontationen, teils mit tödlichem Ausgang. Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah bezeichnete den Angriff auf das iranische Botschaftsgelände in Damaskus als «Wendepunkt».
In einer Rede sagte der Generalsekretär der Schiitenorganisation, die iranische Antwort werde unweigerlich folgen. Die Hisbollah habe keine Angst und sei auf jeglichen Krieg «bestens vorbereitet», sagte Nasrallah. Noch habe die Miliz ihre stärksten Waffen nicht angewandt. Die Hisbollah gilt als Irans wichtigster nicht-staatlicher Verbündeter in Nahost – und als weitaus schlagkräftiger als die Hamas.
Quellen: Mit Material der dpa.