Washington (dpa) – Im erbitterten US-Schuldenstreit gibt es weiter keine Einigung zwischen Präsident Joe Biden und den Republikanern. «Ich hatte das Gefühl, dass wir ein produktives Treffen hatten», sagte der Verhandlungsführer der Republikaner, Kevin McCarthy, nach einem Spitzentreffen mit Biden im Weißen Haus am Montagabend (Ortszeit). Eine Lösung sei aber noch nicht gefunden worden.
Der Demokrat Biden sagte ebenfalls, er habe ein «produktives Treffen» mit McCarthy gehabt über die Notwendigkeit, «eine Katastrophe für unsere Wirtschaft abzuwenden». Hinter dem Streit um die Staatspleite tobt ein erbitterter politischer Machtkampf.
Nach Prognosen des Finanzministeriums droht ab Anfang Juni ein Zahlungsausfall der US-Regierung. Käme es wirklich dazu, könnte dies eine weltweite Finanzkrise zur Folge haben. Ein Zahlungsausfall der USA würde das Vertrauen in die Kreditwürdigkeit der weltgrößten Volkswirtschaft beschädigen. Beide Seiten hatten mehrmals betont, dass sie dieses katastrophale Szenario vermeiden wollen. US-Finanzministerin Janet Yellen erneuerte unterdessen vor dem Spitzentreffen im Weißen Haus ihre Warnung, dass den USA bereits am 1. Juni das Geld ausgehen könnte.
Erhöhung der Schuldenobergrenze
Der Zahlungsausfall droht, weil in den Vereinigten Staaten das Parlament darüber entscheidet, wie viel sich der Staat leihen darf. Die Grenze wurde seit ihrer Einführung 1917 dutzendfach erhöht, da sonst das Geld ausgegangen wäre. Verhandlungen bis zur letzten Minute zur Erhöhung der Schuldenobergrenze sind nicht ungewöhnlich, aber dieses Mal werden sie besonders erbittert geführt. Denn die Auseinandersetzung ist ein parteipolitisches Kräftemessen, bei dem beide Seite viel zu verlieren haben.
Die Republikaner im Kongress wollen Biden im Gegenzug für eine Erhöhung der Schuldengrenze zu Einsparungen etwa im sozialen Bereich drängen. So fordert McCarthy etwa, dass Menschen, die bestimmte soziale Leistungen erhalten, im Gegenzug einem Job nachgehen müssten. Das wollen Bidens Demokraten nicht. Sie wollen stattdessen «Steuerschlupflöcher» schließen – konkret: Reiche stärker besteuern. Dagegen stemmen sich die Republikaner.
Besonders verfahren ist die Situation, weil die Republikaner im Repräsentantenhaus nur eine sehr knappe Mehrheit haben. In der Fraktion sitzen auch radikale Abgeordnete, die kein Interesse an einem realistischen Kompromiss zeigen. McCarthy ist zu Beginn des Jahres erst nach einem historischen Wahlchaos von seiner Fraktion zum Vorsitzenden der Parlamentskammer gewählt worden. Das hat seine Position enorm geschwächt.
Der Streit um die Schuldengrenze ist nun eine große Bewährungsprobe für ihn, bei der er für seine Partei Ergebnisse liefern muss. Dabei muss es ihm auch gelingen, einige Radikale hinter einer möglichen Einigung zu versammeln, um eine möglichst breite Mehrheit in seiner Partei zu haben. Wäre er bei einer Abstimmung über eine mögliche Einigung auf besonders viele Stimmen der Demokraten angewiesen, weil seine Parteikollegen nicht hinter den Plänen stehen, würde ihn das enorm schwächen.
Staatspleite um Biden zu schwächen?
Ein noch nie dagewesener Zahlungsausfall der US-Regierung ist prinzipiell weder im Sinne der Demokraten noch der Republikaner. Beobachter betonen allerdings, dass es unter den Republikanern vermehrt Stimmen gebe, die eine Staatspleite in Kauf nehmen würden, um Biden zu schwächen und so seine Chancen auf eine Wiederwahl zu verringern. Denn letztlich würde der US-Präsident für ein solches Fiasko verantwortlich gemacht werden. Der Demokrat hat vor einigen Wochen angekündigt, bei der Präsidentschaftswahl 2024 noch einmal antreten zu wollen.
Wenn die US-Regierung nicht mehr in der Lage wäre, einen Großteil ihrer Rechnungen zu begleichen, könnten Millionen Menschen im Land in der Folge ihre Jobs verlieren. Auch Zuwendungen aus bestimmten Sozialprogrammen oder Rentenzahlungen könnten wohl nicht mehr beglichen werden. Im Jahr 2011 hatte eine republikanische Mehrheit im Kongress eine Anhebung der Schuldengrenze hinausgezögert. Damals wurde die Kreditwürdigkeit der USA zum bisher einzigen Mal in der Geschichte herabgestuft.